Barrierefreiheit und ihre gesellschaftliche Stellung
Stellung der Medien
Freie Medien wie Zeitungen, Radio, Fernsehen und seriöse Internetplattformen klären auf und verbreiten wichtig Standpunkte, Gesetze, Stimmungen, kurz alle relevanten Informationen.
Investigativer Journalismus deckt Skandale und Missstände auf, erklärt und sorgt für Veränderungen.
Wie groß der Einfluss von Medien zur Meinungsbildung ist, konnte die Welt während vergangener Zeiten immer wieder feststellen. Eines der nachhaltigsten Beispiele fällt mir spontan ein, die vom Energiekonzern Shell geplante Versenkung der Ölbohrplattform „Brent Spar“ in der Nordsee. Hier waren es buchstäblich die Medien, die den Hilferuf von Greenpeace in der Mitte der 1990er Jahren verbreiteten und selbst dazu recherchierten.
Ohne unsere freien Medien hätte kein Protest mit dem darauffolgenden Boykott vonseiten der Bevölkerung, der öffentlichen Hand und Konzernen gegen Shell stattgefunden. Den Medien war es damals zu verdanken, dass ein internationaler Großkonzern in die Knie gezwungen wurde und als Resultat auf die Versenkung der Ölplattform verzichtete.
Auch aktuell sehen wir die Wichtigkeit der Arbeit von Medienschaffenden, wie sie es sind, ist an der Flüchtlingskrise 2015 und an dem unsäglichen Leid durch die russische Invasion in der Ukraine.
Gesetzliche Vorgaben
Bereits 1994 wurde der Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvesion kurz UN-BRK am 24. Februar 2009 ratifiziert. Nach den Regularien der Konvention trat sie am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft und ist seitdem geltendes Recht in Deutschland (Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte).
Zudem existiert das Behindertengleichstellungsgesetz als Gesetzesgrundlage. Als Handwerkszeug für Planer, Handwerker und Architekten wurde die technischen Bestimmungen der DIN 18040 eingeführt. Alles zusammen sind Meilensteine für die Rechte vom Menschen mit Behinderung, hin zu einer gelungenen Inklusion. Während zu früheren Zeiten der Gedanke der Hilfe und Fürsorge im Vordergrund stand, setzten sich seit mehr als 30 Jahren Betroffene, Behindertenverbände und der Gesetzgeber auf ein selbstbestimmtes Leben ein. Dies setzt uneingeschränkten Zugang zu allen Bereichen und Informationen voraus.
Fehlende Teilhabe führt zu Vereinsamung!
Oft genug habe ich den Eindruck, dass das Thema Barrierefreiheit in den meisten Medien nicht den Stellenwert genießt, den es verdient hat. Verdient deshalb, da unsere Gesellschaft bekanntlich überaltert und demzufolge die Zahl derer steigt, für die ein umfangreiches barrierefreies Umfeld existenziell immer wichtiger wird, um möglichst lange in den eigenen Wänden leben zu können, um am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben.
Es gibt genügend Beispiele von Unverständnis der Zusammenhänge.
Fehler und / oder Versäumnisse durch verantwortliche Entscheider kosten nicht nur bei nachträglicher Anpassung sehr viel mehr Geld, nein sie setzen Fakten für die nächsten 30 bis 40 Jahre. Sie verhindern die Teilhabe an der Gesellschaft für Behinderte, Alte, gebrechliche und vorübergehend Betroffene.
Meine bundesweit Mitstreitenden und ich müssen immer wieder erleben, dass sich Bürgermeister*innen und andere Verantwortliche nichts von außerhalb hineinreden lassen und hierdurch die begangenen Fehler sich wiederholen. Selbst Planer*innen, welche sich vermeintlich auskennen sollten, begehen gravierende Fehler durch fehlende Fachkenntnisse und dem Mangel an Empathie für die Belange Betroffener.
Wie wird Barrierefreiheit definiert?
Das Behindertengleichstellungsgesetz definiert in § 4: Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Alle technischen Vorgaben hierzu sind in der DIN 18040 festgelegt. Die UN-BRK sieht eine stufenweise Umsetzung vor, nach der im Bereich Bauen, bei öffentlichen Neubauten und grundsätzlichen Erneuerungen vollzogen werden muss.
Wie sieht die Realität aus? Ehrlich gesagt, blamabel und niederschmetternd!
Es werden neue Bushaltestellen gebaut, bei den der vorgeschriebene Rollstuhlplatz fehlt, sodass Nutzer*innen im Freien bei Wind und Wetter ausharren müssen, oder Blindenleitlinien werden mit gegensätzlicher Bedeutung verbaut, was wiederum für Blinde lebensgefährlich werden kann. Um einzelne Absätze zu überwinden werden völlig ungeeignete und unfallgefährdete Alubleche verbaut, Hinweise zu deren Unfallgefahr werden ignoriert. Entscheider verzichten aus Kostengründen auf den Aufzug innerhalb eines öffentlichen Gebäudes, sodass Menschen mit einer außerordentlichen Gehbehinderung wie Alte, Gebrechliche und Rollstuhlnutzer*innen der Zugang zu Veranstaltungsräumen verwehrt wird.
Ein weiteres Beispiel sind ausgewiesene Behindertentoiletten, in die kein Rollstuhlfahrer*in aufgrund der Platzverhältnisse hineinkommt. Oftmals stehen wir Betroffene vor Behindertentoiletten, von denen die Erbauer der Meinung sind, es würden ein paar Haltegriffe genügen. Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, wie oft gesunde Menschen die Bedürfnisse der Behinderten besser kennen als wir selbst.
Entscheider verzichten aus Kostengründen auf den Aufzug innerhalb eines öffentlichen Gebäudes, sodass Menschen mit einer außerordentlichen Gehbehinderung wie Alte, Gebrechliche und Rollstuhlnutzer*innen der Zugang zu Veranstaltungsräumen verwehrt wird. Ein weiteres Beispiel sind ausgewiesene Behindertentoiletten, in die kein Rollstuhlfahrer*in aufgrund der Platzverhältnisse hineinkommt. Oftmals stehen wir Betroffene vor Behindertentoiletten, von denen die Erbauer der Meinung sind, es würden ein paar Haltegriffe genügen. Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, wie oft gesunde Menschen die Bedürfnisse der Behinderten besser kennen als wir selbst.

Es existieren genauso wie bei schwangeren Frauen nur 2 Zustände, entweder barrierefrei oder nicht barrierefrei, entweder schwanger oder nicht schwanger. Ein wenig Schwangerschaft noch ein bisschen barrierefrei gibt es nicht.
Vor nicht allzu langer Zeit meinte doch eine Bürgermeisterin zu mir, ich sei 1000-prozentig. Nein, dem kann ich klar widersprechen, denn ein bisschen Barrierefreiheit gibt es nicht. Dies und vieles Andere sind nicht nur Benachteiligungen, nein unter gewissen Voraussetzungen können sie sogar als Diskriminierung gewertet werden.
Werden solche Problembereiche angesprochen, kommt meist der lapidare und zuweilen recht einfache Satz „Wir sind gerne behilflich“. Was, wenn niemand zum Helfen vor Ort ist oder der Rollstuhl incl. Nutzer*in bis zu 300 KG und mehr auf die Waage bringt? Gerade bei diesem doch sehr unüberlegt Satz stellen sich mir und den meisten Betroffenen die Nackenhaare.
Wie es auch in der UN-BRK niedergeschrieben wurde, wollen wir ein selbstbestimmtes Leben und nicht auf die Gutmütigkeit anderer angewiesen sein. Sicherlich lassen wir Unterstützung durch freundliche Menschen zu, vor allem dann, wenn uns keine andere Wahl bleibt.
Ist es nicht ein Skandal, dass im Jahresbericht 2021 der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Frau Ataman, an zweiter Stelle das Merkmal Behinderung und chronische Krankheiten mit einem Anteil von 32 Prozent steht? (Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Was kann die Presse tun?
Zeitungsreporter*innen können nicht, mit einem Zollstock und dem Gesetzesbuch in der Hand, zu einer Geschäftseröffnung erscheinen. Was allerdings jeder von Ihnen tun kann, ist mit geschärftem Blick auf Eingänge zu achten, vielleicht im Gastrohbereich einen Blick in die Toiletten zu werfen, ob diese für Behinderte vorhanden sind usw.
Unterstützer in Form von Fachkräften und Fachleuten in eigener Sache sind in jeder Stadt und in vielen Gemeinden leicht zu finden.
Nun bleibt mir nur noch der obligatorische und barrierefreie Gruß
Norbert Sandmann
Inklusionsaktivist, Blogger, Autor
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Foto 1: Michelle, „invisible friend“, CC-Lizenz (BY 2.0)
Foto 2: Norbert Sandmann, „invisible friend“, CC-Lizenz (BY 2.0)
https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de
Alle Bilder stammen aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de
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